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Wissenswertes

VEMP

 

 

 

 

Vestibulär Evozierte Myogene Potentiale (VEMP; engl.: Vestibular Evoked Myogenic Potentials) sind ein Reflex der Macula-Organe auf akustische Reize oder Vibrationen. Der Reflex wird durch Potentialunterschiede, die an Muskeln über Oberflächenelektroden gemessen werden, nachgewiesen. Durch diese Messungen kann bei den sogenannten oVEMPs (okuläre VEMP) eine Funktionsüberprüfung des Utriculus, und bei den cVEMP (cerviale VEMP) eine Überprüfung des Sacculus gemacht werden. Es können mit den VEMPs aber nicht nur der Utriculus bzw. Sacculus überprüft werden, sondern die Messung gibt auch Hinweise auf z.B. Schwannome. Ein Schwannom kann auf dem Nervus cochlearis oder verstibularis sein und ist meistens nur auf einer Seite vorhanden (=> VEMP Amplituden ratio anschauen). Ebenso können VEMPs Hinweise auf Morbus Menière, Neuritis vestibularis und andere Krankheitsbilder geben.

Diatec Diagnostics empfiehlt vor der VEMP-Messung zu prüfen, ob das Mittelohr in Ordnung ist.

 

oVEMP (okulär Vestibulär Evozierte Myogene Potentiale)

Mit dem oVEMPs wird der Utriculus geprüft, aber z.B. auch der Nervus vestibularis superior (superiorer Gleichgewichtsnerv). Der Utriculus ist für das Wahrnehmen von horizontalen Bewegungen verantwortlich. Die Messung dient als Ergänzung zu den VNG-Untersuchungen und wird z.B. für die Diagnose von Bogengangdehiszenz (Superior Semicircular Canal Dehiscence SSCD) oder totalem Vestibularisausfall eingesetzt.

Bei der oVEMP-Messung nutzt man den vestibulo-okulären Reflex. Gemessen wird über Oberflächenelektroden der Potentialunterschied der extraokulären Muskulatur. Um gute Resultate zu erhalten, schaut der Patient stark nach oben. Der Sinn des nach oben schauen ist nicht, dass sich der Muskel stärker zusammenzieht, sondern den unteren schrägen Muskel näher an die Elektrode zu bringen.

Als Stimulus wird ein Burst (früher Click), meist von 500Hz eingesetzt. Der Stimulus mit dieser Frequenz wird bevorzugt, da dieser im Normalfall die größte Reaktionsamplitude auslöst. Mit dem Knochenhörer B81 wird der Stimulus ausgesendet.

 

Elektrodenmontage oVEMP

Bei den oVEMP gibt es verschiedene Elektrodenmontage-Möglichkeiten. Die Elektroden müssen genau positioniert werden, da die exakte Position einen großen Einfluss auf das Resultat, sowohl auf die Reaktionsamplitude, wie auch auf die Latenz hat. Da die oVEMP-Antwort contralateral, also vom Muskel unterhalb des Auges der anderen Seite kommt, ist die rote Elektrode unter das linke Auge, und die blaue Elektrode unter das rechte Auge zu kleben.

In der Vergangenheit war vor allem nachfolgende Anordnung oft angewendet:

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Eine Studie hat gezeigt, dass die nachfolgende Anordnung im Vergleich zur oben beschriebenen klassischen Anordnung größere Amplituden ergibt, bei ungefähr gleichbleibender Latenz:

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Die Messungen für Rechts/Links finden jeweils nacheinander seitengetrennt statt, da es Belege dafür gibt, dass sich die Neurobahnen kreuzen und die Gegenseite abschwächen. Daher würde eine bilaterale Aufzeichnung die Resultate verfälschen.

 

Messresultate oVEMP


Die Ableitung zeigt bei gesunden Patienten einen negativen und positiven Peak. Interessant am oVEMP-Resultat sind insbesondere folgende Werte:

- Welle N1 bzw. P1 erkennbar
- Latenz N1 bei ca. 10msec und P1 bei ca. 15ms (abhängig von Stimulus, Transducer und Elektrodenmontage)
- Amplitude N1 – P1
- Asymmetrie-Berechnung: Amplitude ratio

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Die VEMP-Kurven können je nach Bedarf invertiert werden (Spiegelung an horizontaler Achse, also Peak nach unten statt nach oben bzw. umgekehrt).

Die EMG-Skalierung wird im Gegensatz zu den cVEMP bei den oVEMP nicht verwendet, da es keine Muskelvorspannung gibt.

cVEMP (Zervikal Vestibulär Evozierte Myogene Potentiale)


Mit dem cVEMPs wird der Sacculus geprüft, aber z.B. auch der Nervus vestibularis inferior (inferiore Gleichgewichtsnerv). Der Sacculus ist für das Wahrnehmen von vertikalen Bewegungen verantwortlich. Die Messung dient als Ergänzung zu den VNG-Untersuchungen und wird z.B. für die Diagnose von Bogengangdehiszenz (Superior Semicircular Canal Dehiscence SSCD), Morbus Menière, partiellen oder totalen Vestibularisausfall/Neuritis Vestibularis, vestibuläre Migräne, Vestibularisschwannom oder Otosklerose eingesetzt.

Bei der cVEMP-Messung nutzt man den vestibulo-collischen Reflex. Der Patient spannt den M. sterocleidomastoideus durch Drehen des Kopfes zur contralateralen Schulter (von der Stimulus-Seite weggedreht). Gemessen wird ipsilateral über Oberflächenelektroden die durch den Stimulus ausgelöste Kontraktion der extraokulären Muskulatur. Die Spannung fällt also ab, wenn die Reizung erfolgt. Je lauter der Stimulus, umso größer der Reflex.

Als Stimulus wird ein Burst (früher Click), meist von 500Hz eingesetzt. Der Stimulus mit dieser Frequenz wird bevorzugt, da dieser im Normalfall die größte Reaktionsamplitude auslöst. Je höher die Frequenz, umso kleiner ist die Amplitude. Ältere Personen haben aber nicht immer bei 500Hz die größte Amplitude, z.B. bei Morbus Menière kann die größte Amplitude zwischen 750 und 1000Hz liegen.

Der Stimulus wird über Kopfhörer oder Einsteckhörer (Luftleitung) oder über den Knochenhörer B81 (Knochenleitung) ausgesendet.

Elementar für sinnvolle Resultate ist die Vorspannung des M. sterocleidomastoideus, die durch Drehen des Kopfes zur contralateralen Schulter erzeugt wird. Je älter der Patient, desto höher muss die Vorspannung sein um eine gute Amplitude zu erhalten. Leider haben gerade ältere Patienten oft Mühe diese Vorspannung zu erzeugen und zu halten. Gute VEMP-Systeme mit einem Patienten-Monitor, auf dem der Patient selber die Vorspannung sieht, helfen die Messung möglichst schnell und aussagekräftig durchzuführen. Der Patient sieht so live, ob die vom ihm erzeugte Muskelvorspannung zu stark/schwach ist, oder sich im grünen Bereich befindet. So kann er sofort reagieren und die Vorspannung verändern indem er etwas relaxt oder sich mehr anstrengt.

Um das Gehör zu schonen, werden bei guten VEMP-Systemen die lauten Stimuli nur dann gesendet, wenn die Vorspannung im grünen Bereich ist. Die Messung wird also temporär gestoppt, bis die Vorspannung wieder korrekt ist. Für eine sinnvolle Auswertung ist dann die EMG-Skalierung elementar, da rechts und links nie mit genau gleicher Vorspannung gemessen werden kann.

Elektrodenmontage cVEMP


Die Elektroden auf dem rechten und linken M. sterocleidomastoideus müssen möglichst auf der gleichen Höhe sein.

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Die beiden Seiten (Ohren) werden nacheinander getestet, da wegen der Vorspannung bilaterale Messungen gar nicht möglich sind.

 

Messresultate cVEMP


Die Ableitung zeigt bei gesunden Patienten einen positiven und negativen Peak. Achtung! Die EMG-Skalierung muss aktiviert sein, um die Asymmetrie zu vergleichen, da die Vorspannungen (EMG) der beiden Seiten Rechts / Links nie genau gleich sind.

Interessant am cVEMP-Resultat sind insbesondere folgende Werte:

- Welle P1 bzw. N1 erkennbar
- Latenz P1 bei ca. 13msec und N1 bei ca. 23ms (abhängig von Stimulus, Transducer und Elektrodenmontage). Bei z.B. Neuritis vestibularis oder zentral vestibuläre Pathologie relevant
- Amplitude N1 – P1
- Asymmetrie-Berechnung: Amplitude ratio
- Bei ausführlichen Tests: Reflexschwelle

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Die VEMP-Kurven können je nach Bedarf invertiert werden (Spiegelung an horizontaler Achse, also Peak nach unten statt nach oben bzw. umgekehrt).

ACHTUNG: Jüngere Personen haben bei gleicher Muskelvorspannung größere Amplituden wie ältere Personen. Personen ab 70 haben oftmals keine zuverlässigen cVEMP.

 

Häufig gestellte Fragen:

Können VEMPs auch bei Patienten mit Hörproblemen durchgeführt werden?

Bei den VEMPs ist nicht das Ziel die Cochlea zu stimulieren, sondern Utriculus und Sacculus zu reizen. Der Stimulus gibt bei Verwendung eines Kopfhörers oder Einsteckhörers eine Druckwelle über den Gehörgang auf das Mittelohr und anschließend bei den cVEMP auf den Sacculus bzw. bei oVEMP auf den Utriculus. Der weitere Weg des Stimulus, also der Weg in die Cochlea und danach über den Gehörnerv zum Gehirn, ist nur relevant, falls für den Patienten der Stimulus sehr unangenehm laut ist (speziell bei Tinnitus-Patienten) und um die Cochlea nicht zu lauten Tönen auszusetzen, aber nicht für das Resultat der VEMP-Messung.

Patienten mit Schallempfindungsschwerhörigkeit:

Aus der obigen Erklärung folgt, dass bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit ohne Anteil Schallleitungsschwerhörigkeit die VEMPs korrekt gemessen werden, da nur relevant ist, dass der Ton in der gewünschten Intensität bis zum Sacculus bzw. bei oVEMP bis zum Utriculus kommt. Das heißt, der Patient hört natürlich den Stimulus leiser, wie wenn er gut hört, aber dies hat auf die korrekte Messung keinen Einfluss, da die Ursache für das leisere Empfinden in der Cochlea ist.

Patienten mit Schallleitungsschwerhörigkeit:

Bei Patienten mit Schallleitungsschwerhörigkeit ist dies anders. Bei den VEMPs hat eine Schallleitungsschwerhörigkeit sehr wohl einen Einfluss auf das Resultat, und zwar weil bei Schallleitungsschwerhörigkeit die Intensität über das Mittelohr abnimmt, weil ja hier ein Problem im Mittelohr vorliegt. Es kommt also zu wenig Schall zum Macula-Organ. Als Faustregel kann gesagt werden, dass bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit von über 20-30dB der Kopfhörer oder Einsteckhörer nicht genug Schall liefern kann, um die Macula Organe zu stimulieren. Um bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit trotzdem die VEMP-Messung korrekt durchzuführen, wird der Knochenhörer B81 verwendet. Bei Verwendung des Knochenhörers ist der Weg des Stimulus anders, nämlich nicht über den Gehörgang – Mittelohr – Macula Organ, sondern über den Knochen (Mastoid, wie bei Knochenleitungsmessung der Audiometrie) direkt ins Innenohr, also zum Macula Organ. Wird also der Knochenhörer anstelle des Kopfhörers oder Einsteckhörers verwendet, ist nicht relevant, ob der Patient eine Schallleitungsschwerhörigkeit hat. Ein weiterer Vorteil bei Verwendung des Knochenhörers ist, dass auch die Cochlea nicht so lauten Tönen ausgesetzt wird.

Zusammenfassung

Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass bei Verwendung eines Knochenhörers anstelle von Kopfhörer oder Einsteckhörer eine Schwerhörigkeit (egal ob Schallempfindungs- oder Schallleitungsschwerhörigkeit) keinen Einfluss auf die Messung hat. Bei Verwendung von Kopfhörer oder Einsteckhörer hat jedoch eine Schallleitungsschwerhörigkeit einen massiven Einfluss auf das Resultat. Verwendet man den Knochenhörer, sind die Einflüsse von Schwerhörigkeit ausgeschaltet.

 

Mit welchem Transducer soll gemessen werden?

oVEMP

Bei den oVEMPs wird über die Knochenleitung stimuliert, da sich die Stimulierung über Luftleitung oft als ungenügend erwiesen hat. Bei den oVEMPs wurde in der Vergangenheit, da ein leistungsstarker Knochenhörer nicht verfügbar war, für die Forschung mit dem nicht zugelassenen Shaker von B&K gemessen. Inzwischen ist mit dem neuen Knochenhörer B81 ein Knochenhörer verfügbar, welcher für das Eclipse zugelassen ist, genug Leistung hat, kalibrierbar ist und schöne Kurven zeigt.

Diatec Diagnostics empfiehlt daher aus folgenden Gründen anstelle des Shakers den zugelassenen B81 Knochenhörer zu verwenden:

Beim Shaker ist die Patientensicherheit nicht gewährleistet! Stromschlaggefahr!
Durch die starke Stimulation besteht die Gefahr von Haarzellenschäden
Der Shaker ist nicht zugelassen
Der Shaker ist sehr unangenehm für den Patienten
Die Kraft des Shakers und somit die Intensität des Stimulus ist nicht messbar, somit nicht reproduzierbar, da je nach Anwender der Shaker unterschiedlich gehalten wird (Winkel, Eigengewicht des Shakers)
Shaker ist nicht kalibrierbar, B81 ist kalibrierbar und Messungen somit auch reproduzierbar
Bei den oVEMP empfiehlt Diatec Diagnostics immer den Knochenhörer zu verwenden. Beim Knochenhörer ist der korrekte Sitz auf dem Mastoiden regelmäßig zu überprüfen.

cVEMP

Bei den cVEMPs spricht nur dagegen, dass bei der Kopfdrehung, welche ja für die Vorspannung des Muskels notwendig ist, der Knochenhörer leicht verrutschen kann, der Kopfhörer bzw. Einsteckhörer hingegen schön fix sitzt. Bei den cVEMPs empfiehlt Diatec Diagnostics daher den Kopfhörer oder Einsteckhörer zu verwenden, bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit den Knochenhörer. Beim Knochenhörer ist der korrekte Sitz auf dem Mastoiden regelmässig zu überprüfen.

Der Einsteckhörer hat gegenüber dem Kopfhörer den Vorteil, dass der Gehörgang nicht kollabieren kann, was bei Kleinkindern oder bei älteren Patienten in seltenen Fällen auftreten kann.

Als Kopfhörer oder Einsteckhörer dürfen nicht die vom Audiometer verwendet werden, da der elektrische Widerstand und die Abschirmung anders sind.

Welches Gerät ist am besten für oVEMP und cVEMP geeignet?

Diatec Diagnostics empfiehlt die Plattform Eclipse mit dem Messmodul VEMP zur Messung von oVEMP und cVEMP. Nachfolgende Argumente sprechen für das Eclipse des Hersteller Interacoustics:

Allgemein

Seit Jahren etabliertes System
Meistverkaufte Plattform für BERA-Systeme weltweit
Plattform mit verschiedenen Messmodulen erhältlich und auch später mit Messmodulen ergänzbar z.B. BERA, ERA, OAE, ABRIS

cVEMP

Etabliertes System
Patientenmonitor zur Sicherstellung der Vorspannung
Schont das Gehör, da es nur misst, wenn die benötigte Vorspannung korrekt ist
EMG-Skalierung für korrekte Asymmetrie-Berechnung
Verschiedene Frequenzen als Stimulus möglich
Verschiedene Transducer möglich (Einsteckhörer, Kopfhörer, Knochenhörer B81)
Eigene Testprotolle möglich

oVEMP

Etabliertes System da oft in der Forschung für oVEMP verwendet (oVEMP-Messungen gibt es noch nicht so lange wie cVEMP)
Durch den B81-Knochenhörer eine zugelassene, kalibrierbare Lösung zur Stimulierung (anstelle vom teuren und nicht zugelassenen Shaker mit Vorverstärker)
Asymmetrie-Berechnung
Verschiedene Frequenzen als Stimulus möglich
Eigene Testprotolle möglich

vemp6

 

Bitte beachten Sie, dass diese Informationen allgemeiner Art sind und nicht ein kompletter Leitfaden zum Interpretieren aller möglichen Testergebnisse geboten wird. Die Messung muss in Verbindung mit weiteren medizinischen Untersuchungen interpretiert werden. Diatec Diagnostics GmbH gewährt keine medizinische Richtigkeit bzw. Vollständigkeit. Genauere Informationen hierzu finden Sie in der einschlägigen Fachliteratur bzw. fragen Sie einen HNO-Spezialisten.